Sie alle – die Handwerksburschen, Soldaten, Dienstmädchen – suchten bei Polka und Galopp die Mühsal ihres Alltags zu vergessen. Hier sang man Tanzlieder oder hörte Sängern zu, die Lieder vortrugen, die von aktuellen und witzigen Begebenheiten berichteten. Der Gassenhauer – das Lied der Straße – war geboren. In ihm fand das Lebensgefühl der unteren Volksschichten seinen Platz. Musikanten spielten bekannte und beliebte Melodien, und Volkes Seele erfand den passenden, nicht selten respektlosen Text dazu.
Für die vielen Neuberliner, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die explosionsartig wachsende Metropole strömten, entstanden zahlreiche neue Amüsemierstätten. Der Wintergarten in der Friedrichstraße und Otto Reutter gehörten zusammen wie Claire Waldoff und das Linden-Cabaret Unter den Linden oder Erich Carow und die Lachbühne am Weinbergsweg. Reutter als schlagfertiger, respektloser Kommentator des Alltags besaß Phantasie und vermochte, dank eines außerordentlichen Humortalents, seine Stories mit echter Komik zu verbinden. In den Pointen seines Couplets Nehm’n Se’n Alten ist dies exemplarisch zu erkennen. Claire Waldoff war ein Original, wie gemacht fürs Kabarett der aufstrebenden Weltstadt. Sie liebte „Musike“ und ganz besonders Lieder im Volks- und Gassenhauerton wie Warum soll er nich mit ihr, die ihr von kongenialen Lieddichtern auf den Leib geschrieben wurden. Publikumsliebling der Carowschen Lachbühne war Fredy Sieg, der Berliner Volkssänger, dessen Geschichte von Zickenschulzes Hochzeit noch heute die Zuhörer begeistert. Er und andere Musenkinder waren die Stars der Varietés kurz nach der Jahrhundertwende.
Das satirisch-literarisch-musikalische Zeitkabarett erlebte seine Blüte zwischen 1900 und 1930 und schenkte den Berlinern Fröhlichkeit, aufmunternde Unterhaltung und Zuversicht. Ob Gassenhauer, Couplet, Schlager, Chanson oder Ballade – all den liedhaften Schöpfungen gemeinsam ist der Mutterwitz, Herz und Schnauze und der schnoddrige Dialekt des Berliners. Peter Schultze, der Urberliner und Karl-Heinz Lembke der Zugereiste wohnen beide in Pankow und beschäftigen sich seit vielen Jahren mit der Musik aus dem alten Berlin. Mit der Pflege des alten Liedguts bewahren die beiden Musiker ein Stück regionale Kulturgeschichte. Für die Instrumentierung mit Bandonion und Geige wurden eigene Arrangements erarbeitet. Während der langjährigen musikalischen Zusammenarbeit entstand ein umfangreiches Repertoire, das die Musiker auf Geburtstags- und Hochzeitsfeiern, bei Straßenfesten und in Berliner Kneipen aber auch auf Ausstellungseröffnungen in Museen und Galerien zum Besten geben.
Berliner Gassenhauer mit Schulle & Lemmer
Siehste woll, da kimmt er
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1
Wer schmeißt denn da mit Lehm
2:43
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2
Berliner Schnauze: Ick sitz am Tisch und esse Klops
0:20
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3
Hinaus in de Ferne/Du kannst mir mal forn Sechser/Des Nachts um Zwölfe
2:25
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4
Warum soll er nicht mit ihr
3:01
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5
Berliner Luft
2:59
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6
Nehm’n Se’n Alten
3:15
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7
Bevor du sterbst
3:06
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8
Amboss-Polka
2:40
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9
Stroganoff
5:57
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10
In einer kleinen Konditorei
3:03
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11
Warum liebt der Wladimir
2:55
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12
Die Radpartie
2:43
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13
Wien bleibt Wien/Wir sind Berliner Bummler
4:23
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14
Berliner Schnauze: Die Bengels
0:47
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15
Siehste woll, da kimmt er/Denkste denn, du Berliner Pflanze/In Rixdorf ist Musike
1:51
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16
Berliner Schnauze: Der Enthaltsame
0:37
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17
Hochzeit bei Zickenschulze
3:50
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18
Herr Bolle
2:07